HEUTE: Sebastian in: „1001 Moskitos“

Es ist stockfinstere Nacht (es ist mal wieder Stromausfall): Ein leises hochfrequentes Summen zieht langsam an meinem Ohr vorbei. Plötzlich ein Knall. Ich versuche die Gelse (Stechmücke) zu treffen. Anstatt dessen gebe mir eine Ohrfeige. Das Summen wird langsam leiser. „Mist, wieder nicht getroffen!“ Ich schlafe ein.

5.30 Uhr: Die Dämmerung beginnt. Wieder ein Knall. Diesmal habe ich eine ca. 1 cm große Blutlacke in meiner Hand. „Ha, dich hab ich erwischt!“

Um 6.00 Uhr klingelt mein Wecker mit der „Morgenstimmung“ von Edward Grieg (ein kleines Puzzleteil aus meinem früheren Leben). Ich stehe schweißgebadet auf. Mein Zimmer kühlt nachts auf ca. 30 Grad ab. Ich gehe als erstes in die Dusche. Ich drehe den kalten Wasserhahn auf und wundere mich warum warmes Wasser rauskommt. „Naja, auch nicht schlimm“. Da meine Dusche nicht geht, nutze ich wie alle anderen auch einen kleinen Kübel mit dem ich mir das Wasser über den Kopf schütte. Nach der Dusche schaue ich mir kurz meine neuesten E-Mails durch.

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Mein Schreibtisch                                                                Mein Zimmer im Gästehaus

6.45 Uhr: Ich gehe los zum Fathers-House. Die ca. 300 Meter sind für mich morgens immer der angenehmste Spatziergang. Eine kühle Brise (ca. 28 Grad) zieht über die Anlage. Um 7.00 Uhr beginnt der Gottesdienst. In den Vorbereitungsseminaren in Nürnberg hatten wir immer einen Morgenimpuls. Ich fand diese Gepflogenheit sehr sinnvoll. Es ist für mich so eine Art Guten-Morgen-Ritual um den Tag zu begrüßen und mich auf die heutigen Aufgaben vorzubereiten. Danach gibt es Frühstück. Hier gibt es schon morgens warmes Essen mit unterschiedlich zubereiteten Curry-Gemüse-Varianten. In Indien wird üblicherweise dreimal täglich warm und herzhaft gegessen. Die ersten Wochen hab ich versucht diese Essgewohnheiten zu übernehmen aber gerade beim Frühstück viel mir das sehr schwer. Dann hab in einem Supermarkt „Nutella“ gefunden, und seither gibt es für mich wieder mein normales „westliches“ Frühstück mit Tee, Brot, Honig, Nutella und Früchten.

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Fathers-House 2015                                                             Fathers-House 2013 (Foto: Katharina Weier)

Nach dem Frühstück gehe wieder zurück ins Gästehaus. Ich laufe am Main-Buildung vorbei und meistens brennt die Sonne schon auf mich herab. Am liebsten würde ich dann gleich wieder in die Dusche.

9:00 Uhr: Meine erste Unterrichtsstunde beginnt. Ich unterrichte hier die „Computer Science Class“ des dritten Jahrgangs in „Basics in Communication Skills“. Meine Aufgabe ist es die Schüler zum Englisch sprechen zu bringen. Dies ist für mich die angenehmste Klasse, weil die Schüler morgens noch ausgeruht sind und schon ganz gut Englisch sprechen.

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Main-Building 2015                                                                Main-Building 2013 (Foto: Katharina Weier)

Nach dem Unterricht möchte ich wieder zurück in mein Zimmer und unter die Dusche. Auf dem Gang treffe ich Fr. Raja. Er hat in der Jesuiten-Kommunität die Aufgabe des Ministers. Das bedeutet er kümmert sich um alle belange die den Haushalt, die Belegung der Fahrzeuge, der Instandhaltung des Gebäudes und die Organisation des Personals belangen. Außerdem unterrichtet er Business Administration und ist „Dean of Academics“. Er fragt mich: „Do you want a cup of tea?“ „Yes, of course!“ Ich verbringe gerne Zeit mit den Fathers. Man hat immer ein gutes Gespräch und sie erklären mir geduldig wie Indien funktioniert. Ein paar Minuten später sitzen wir auf seinem Motorrad zum Fathers-House. Meist sitzen wir dann eine Stunde zusammen, trinken Tee und arbeiten an seinem Computer weil wieder irgendwas nicht funktioniert (Windows).

Um 11:30 Uhr gibt es Mittagessen. Da für die „Scholastics“ (die Brüder die zu „Priestern“ ausgebildet werden) hier die Mittagspause am College beginnt, Essen wir gemeinsam Reis mit Fish-Curry. Der Hauptunterschied zu europäischer Küche ist für mich, dass hier alles in den Kochtopf wandert. Der Fisch oder die Hühnchen werden zerschnipselt wie das Gemüse und in einer Curry oder Massala Sauce gekocht. Die Gräten oder Knochen trennt man dann erst auf dem eigenen Teller oder im Mund vom Fleisch. Da hier das Fleisch etwas anders behandelt wird als in Europa, hab ich meine Ernähung mittlerweile fast ausschließlich auf Gemüse umgestellt.

12:30 Uhr: Meine zweite Unterrichtsstunde beginnt. Hier habe ich den zweiten Jahrgang des „Math Departments“. Die Jungs und Mädels sind meist ganz lustig und arbeiten gut mit. Man merkt aber schon die Hitze, das Essen und die Schulstunden zehren an der Konzentration der Schüler.

ca. 13:30 Uhr: Endlich schaffe ich es mich etwas zu erfrischen und eine halbe Stunde Mittagsschlaf zu machen.

14:10 Uhr: Meine letzte Unterrichtsstunde beginnt. Hier ist der erste Jahrgang vom „Computer Applications Department“ dran. Da hier die Schüler erst seit ein paar Monaten am Campus sind und vorher noch keinen Englischunterricht hatten, ist das Sprachniveau der meisten Schüler eher gering. Außerdem hab ich hier ein Grammatik-Buch bekommen aus dem ich unterrichten soll. Nun könnt Ihr Euch ja vorstellen wie viel Spaß das den Studenten und mir macht.

15:00 Uhr: Endlich Schulschluss. Nach der letzten Stunde sitze ich oft etwas mit den Lehrern zusammen und wir erzählen was wir so an diesem Tag alles erlebt haben. Leider verstehe ich viel nicht, da hier oft Tamil (die Muttersprache) gesprochen wird.

ca. 17:00 Uhr: Ich gehe zum Sport. In den ersten Tagen bin ich hauptsächlich auf dem Sportplatz gewesen und bin ein paar Runden gelaufen. Mittlerweile hab ich mich auch etwas vor die Campus-Tore getraut. Für die Menschen hier erscheint es wirklich seltsam, wenn jemand durch die Straßen rennt. Oft werde ich gefragt ob man mich irgendwohin mitnehmen könne, und ich muss dann erklären, dass ich hier gerne und mit Absicht laufe. Manchmal rennen dann auch ein paar Kinder mit und es entsteht eine lustige Gruppe um mich herum. Manchmal wollen Einheimische ein paar Fotos mit mir machen. Selbstverständlich bin dazu jederzeit gerne bereit. Oft werde ich angesprochen, woher ich komme und wohin ich gehe. Leider sprechen die Menschen hier auf dem Land wenig Englisch und daher kann man oft keine richtige Konversation führen. Das Leben in Indien findet auf der Straße statt. Viele Leute sitzen vor Ihren Häusern und quatschen miteinander, schauen dem Verkehr zu oder verjagen Affen und Straßenhunde. Wenn dann so ein seltsamer Weißer vorbei rennt, schauen die meisten nur erstaunt und grüßen oder winken mir zu.

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Vier auf einen Streich                                                           Ein indisches Drive-In Fast-Food Restaurant

19:00 Uhr: Ich nehme meine letzte Dusche. Jetzt habe ich circa eine Stunde Zeit und kann mich um meine Hausarbeit kümmern und etwas entspannen.

Um 20:00 Uhr gibt es Abendessen im Fathers-House. Hier ist die Stimmung meistens sehr gut und wir lachen viel. Manchmal sind auch Gäste da. Ich bin neugierig und möchte die Menschen kennen lernen. Auf diese Weise erfährt man vieles was in der Umgebung passiert oder welche verschiedenen Aufgaben und Verantwortungen jeder Gast hat. Nach dem Essen sitzen wir oft vor dem Fathers-House zusammen und haben „Recreation“. Es ist vielmehr eine gemütliche Runde bei der wir nochmals den Tag reflektieren, locker über Politik und Religion diskutieren, oder einfach nur uns über die kühle Abend-Brise freuen.

21:30 Uhr: Ich bin wieder zurück im Gästehaus. Die Post-Graduate Students, die ich hier als Nachbarn habe, sitzen auf der Terrasse und spielen Karten oder arbeiten am Computer. Oft sitze ich dann hier noch ne Stunde mit Ihnen zusammen. Auch hier ist es meine Aufgabe die Jungs zum Englisch sprechen zu bringen. Auch wenn sie schon vier Jahre Englisch studiert haben, fällt es ihnen doch schwer sich richtig auszudrücken.

22:30 Uhr: Es ist dunkel. Ein hochfrequentes Summen zieht an meinem Ohr vorbei. Ich schlafe völlig erschöpft und zufrieden ein.

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